Das Gut Grumsmühlen

Das Rittergut Grumsmühlen.
Aus dem Büchlein „Der Heimatbote“

Unter den Rittersitzen und Edelhöfen der alten Grafschaft Lingen hat neben dem Schloß Hange das Gut Grumsmühlen wohl die älteste Geschichte. Nur fünf Minuten von dem Gut entfernt grüßt uns die alte Ölmühle, von der das alte Rittergut seinen Namen hat. Ein schmaler Weg im Schatten mächtiger Eichen führt noch heute zu der Mühle. Wo einst mit ungetümer Kraft das niederrauschende Wasser das große Zackenrad drehte, ist es heute still geworden. Der Bach, der einst das mächtige Rad drehte, ist umgeleitet; nur eine Mulde unmittelbar an der Mühle, deutet noch den ursprünglichen Lauf an. Obwohl der noch erhaltene Mühlenbau ein beträchtliches Alter aufweist, ist kaum anzunehmen, dass dieser so alt ist wie die erste Kunde von Grumsmühlen. Die Menschen, die hier schafften, ruhen längst friedlich und haben die Zeit der Errungenschaften und Erfolge, aber auch der Zerstörung, nicht mehr kennengelernt. Es ist, als höre der Vorüberziehende die Seele so mancher Toten wehklagen, hier im stillen Raum, als sei es ihr zu schwer, von dieser trauten Stätte hinwegzuziehen.. Und doch sind die Zeiten der alten Ölmühle unwiderruflich vorbei.

Die alte Ölmühle

Von der ältesten Müllerfamilie, von der die Geschichte zu berichten weiß, ist bekannt, daß sie nach der Mühle sogar ihren Namen trug. Albert Grumsmüller, der auf Grumsmühlen schaffte, besaß die Mühle nicht zu eigen, sondern stand im Dienste des Klosters der Fraterherren zu Münster, die um 1550 die Mühle an Aleff van Limborch verkauften.

Bereits unter den Tecklenburgen Grafen haben wir Kunde von der alten Grumsmühle. Als am 10. Mai 1516 durch den Ritter Mauritius van Emmix die Grenze zwischen der Lingener und der Baccumer Mark festgelegt wird, heißt es in dem Protokoll:
„ …. das die Grenze vorbeiführe an einen scharfen Stein bei der Grumsmühle ….“
Auf dieser Grenzscheide spielten sich manche Streitigkeiten zwischen den Gemeinden ab. Bald waren es die Baccumer, die entgegen dem Recht, auf dem Feld zwischen Brockhausen und der Grumsmühle Sudden mähten oder ihr Vieh über die Grenze in den Brögberner Diek trieben; bald kümmerten sich die Lingener nicht um das Recht und legten einen Zuschlag im kleinen Brögberner Bruch an, wogegen Baccun, Brögbern und Grumsmühlen Einspruch erhoben.

Grumsmühlen besaß damals noch nicht solch eine Ausdehnung und Bedeutung, wie sie später unter den nicht sehr gewissenhaften Besitzern van Limborch und Mulert errang. Es war eine sogenannte Welde (Jagdgebiet.). wie Aleff von Limborch berichtet, der bald nach 1550 Grumsmühlen von den Fraterherren zu Münster kaufte, umfasste das halbe Erbe damals annähernd 50 Morgen, davon waren 4 Scheffelsaat Gartenland und 4 Malter für Getreidesaat. In den Weiden wuchsen etwa 30 Fuder Heu; hinzu kamen Eichenwälder, die in ihrer Ausdehnung eine Mast von etwa 30 Schweine zuließen. Für l einen kleinen Kamp, auf dem Bienenstöcke standen, mußte der Pächter an den Herrn z u Lingen jährlich 2 Pfund Wachs liefern. Es war ein verhältnismäßig kleiner Hof, wenn auch noch einige unkultivierte Ländereien außerdem dazugehört haben mögen.

Grumsmühlen unter Aleff van Limborch.

Die Stadt und die Grafschaft Lingen gehörten bis zum Jahre 1548 dem mächtigen Grafen von Tecklenburg. Dann kamen sie bis 1555 in den Besitz des deutschen Kaisers und bis 1578 in spanischen Besitz. Der Statthalter Spaniens in Holland, Prinz von Oranien, erhielt die Grafschaft Lingen als freies Lehen. Als seinen Stellvertreter in der Grafschaft Lingen ernannte er einen Landdrosten, der auf der Burg zu Lingen wohnte. Seit 1550 verwaltete Ernst Mulert dieses hohe Amt in der Grafschaft Lingen. Ihm unterstand der Rentmeister, seit 1550 Aleff van Limborch, der Grumsmühlen von den Fraterherren zu Münster erwarb.

Aleff van Limborch war ein gewalttätiger Mensch, recht skrupellos und wenig gewissenhaft beim Unterscheiden zwischen Mein und Dein. Er war stets darauf bedacht, sein Amt als Rentmeister zu seinem Vorteil auszunutzen. Zwar betonte er immer, die Bauern und Landleute im Interesse des Landesherrn einzusetzen, doch den wahren Nutzen hatte immer er selbst.

Nachdem van Limborch Grumsmühlen erworben hatte, begann er westlich von Altenlingen das Beversundern anzulegen, das später in den Besitz verschiedener Familien kam und 1880 von dem Grafen van Galen erworben wurde. Das zur Gründung Beversunderns nötige Land nahm van Limborch einfach in Besitz, – ohne Genehmigung der Regierung -, gegen den Willen der Markengenossen und trotz seines eigenen gegenteiligen Versprechens. Eine Klage der Bauern beim Statthalter nützte wenig, da die Sache jahrelang hinausgeschoben wurde. Im Jahre 1566 drängten die Markengenossen, daß gegen die Erben van Limborch vorgegangen werde, doch es half nichts – die Sache schlief ein und die Familie van Limborch blieb im Besitz der Ländereien.

Um die religiöse Einstellung van Limborchs muß es ebenfalls nicht besonders gut gestellt gewesen sein. Als die Bittprozession, die in Lingen auf dem öffentlichen Wege entlang der Ems, zum Langendorn gehalten werden sollte, machte er dies durch die Zerstörung des auf dem Damm liegenden Weges unmöglich. Auch zog van Limborch die gestifteten Einkünfte der Kaplaneien Estringen, Wettrup sowie einen Teil derselben von der Kaplanei Freren ein, bis die Statthalterin der Niederlande, Maria, befahl, diese Einkünfte an die Kirche abzutreten.
Die günstige Lage des Hauses Grumsmühlen an der Straße nach Lingen und an der Markgrenze mehrerer Gemeinden veranlassten van Limborch, es zu einem festen Herrensitz auszubauen. Um sich gegen Überfälle zu schützen, zog er einen tiefen Graben um das Haus. Neben dem Hause errichtete er einen Turm, der ihm zum Schutz diente und Ausblick auf die Straße gewährte.
Nur wenige Jahre zog van Limborch aus seinem unrechtmäßig erworbenen Besitz seinen Nutzen. In den Jahren zwischen 1562 und 1566 soll er auf dem Wege von Grumsmühlen nach Lingen erschossen worden sein.

Grumsmühlen im Besitz der Familie Mulert.

In seinem, Buche, “Rittersitze des Emslandes” schreibt Dr. vom Bruch, daß Ernst Mulert, Drost zu Lingen, um 1572 das Gut Grumsmühlen erwarb. Dieser Ernst Mulert war der älteste Sohn des Drosten zu Salland, Seyno Mulert, und stammte aus einem Zweig des schon im frühen Mittelalter weitverzweigten Adelsgeschlechts dieses Namens. Viele Vertreter dieser Familie werden_ in Urkunden als Richter und Schöffen, als Drosten sowie als Beamte der Bischöfe von Utrecht erwähnt. Auch als Räte der Herzöge Philipp und Karl von Burgund sowie als Offiziere haben die Mulerts vor 1500 am politischen Geschehen in den Niederlanden tätigen Anteil gehabt.
Ernst Mulert wurde zur Belohnung für besondere Verdienste als Offizier des Königs von Spanien im Kampf gegen die Niederlande zum Drost des Landes Lingen ernannt. Diese Ernennung als Nachfolger Wilhelm von Baer fand zwischen 1567 und 1569 statt, denn am 26.3.1569 wird Mulert im Regest 552 des Stadtarchivs Hasselt “drost te Linghe, schout te Hasselt” genannt. Es scheint also, daß er eine Zeit lang das Amt des Drosten zu Lingen und des Hochschulten zu Hasselt gleichzeitig ausgeübt hat.
Die Verwaltung zu Lingen wurde durch drei nebeneinander amtierende Inntanzen ausgeübt, den Drosten, den Richter und den Rentmeister. Nach seiner Übersiedlung nach Lingen kaufte Mulert am 31.7.1572 das Gut Grumsmühlen, aus dem Besitz der Familie Limborch. Ernst Mulert war somit der erste aus dem niederländischen Geschlecht der Mulerts, der im Emsland Besitz erwarb und hier ansässig wurde. Ernst Mulert hatte eine große Familie zu ernähren und mußte darauf bedacht sein, seinen Besitz sobald wie möglich zu vergrößern. Geld spielte bei ihm keine Rolle. Seine Ämter als Richter und Hochschulten zu Hasselt hatten ihm, bevor er das Drostamt in Lingen übernahm, gewi.ß viel eingebracht; denn nach damaliger Rechtsauffassung stand dem Richter die Hälfte der Buße zu, die er dem Verurteilten auferlegte. Auch aus der Tätigkeit seines verstorbenen Vaters als Droste von Salland und als Richter flossen ihm noch beträchtliche Summen zu. Da Ernst Mulert außerdem Offizier war, war er nach damaliger Gewohnheit stets mit einem großen Anteil an der Kriegsbeute und den Kontributionen (Abgaben) beteiligt. Es fiel ihm daher nicht schwer, nachdem er im Jahre 1572 das Gut Grumsmühlen erworben hatte, im selben Jahre auch noch die Höfe Schliemer und Koldehof in Espel (Bauerschaft Langen) und Eggermann (Kirchspiel Baccum) anzukaufen (In einem Abgabebüchlein, das sich noch im Besitz der Familie Eggermann befindet, sind die Abgaben aufgeführt, die der Hof Eggermann an das Gut Grumsmühlen lieferte. Eine Kopie davon befindet sich im Archiv des Heimatvereins Baccum). Alle drei Höfe waren dem Nicolaus von Snetlage eigenhörig und abgabepflichtig.

Der Chronist Abel Eppen schreibt in der Biographie des Ernst Mulert
“(hy heft) sich wol versekert, dat he – ook 9 kinderen vader – en een dochter tom boedel medegaff 18000,- rieksdaler…”.

(er war) sich wohl bewußt, daß er – von 9 Kindern der Vater war – und eine (jede) Tochter einen Beutel mit 18000,— Reichstaler als Aussteuer erhalten sollte.

Wenn Abel Eppens, der offensichtlich kein Freund des königstreuen Drosten Ernst Mulert war, sondern eher ein politischer Gegner, hier auch vielleicht etwas übertrieben hat, so kann man doch seinen Worten entnehmen, daß das Vermögen des Drosten wirklich sehr groß war.
Übrigens hatte Ernst Mulert mit seiner Frau Cunera van de Campe nicht nur neun, sondern insgesamt fünfzehn Kinder, davon lebten, als Abel Eppens über ihn berichtete, nur noch drei Söhne und sechs Töchter. Zwei seiner Kinder waren jung gestorben. Vier Söhne sind als Offizier im Dienst des Königs von Spanien gefallen.
Trotz dieser schmerzlichen Verluste war die Familie des Ernst Mulert noch sehr groß und sein Streben nach weiterem Besitz ist daher verständlich. Die Aussteuer der einen Tochter gibt Eppens mit 18000,— Rieksdaler an. Insgesamt heirateten sechs and alle “sehr standesgemäß” Eine Tochter wurde Nonne; auch für die mußte eine Aussteuer beschafft werden. im Jahre 1576 erwarb Ernst Mulert aus dem Nachlaß der Familie von Swartewold die alte Burg Thuine. Mit diesem Besitz war das Patronatsrecht der dortigen Kirche verbunden. Wahrscheinlich wohnte die Familie auch in Thuine, da sie in der Kirche auch ihr eigenes Chorgestühl hatte. Später wurde in der Kirche eine Familiengruft angelegt. Außer einem wunderschönen Epitaph (Gedenktafel mit Inschrift für Verstorbene) ist dort eine Glocke vorhanden, die der Drost Ernst Mulert und seine Gattin gestiftet haben. Zwei schöne Grabplatten der Familie Mulert, die unter dem Altar lagen, wurden im Jahre 1972 bei Instandsetzungsarbeiten freigelegt.

Wie sehr Ernst Mulert auf die Vergrößerung seines Gutes bedacht war, erfahren wir aus Klagen seiner damaligen Nachbarn. Wenn wir ihnen glauben dürfen, dann ist der Drost nicht davor zurückgeschreckt, seine Geschäftspartner zu benachteiligen, indem er sich bei Käufen einfach einige Stücke Land zusätzlich aneignete. Insgesamt soll er auf diese Weise in den zusätzlichen Besitz von 4 Malter Saatland und Wiesen für 60 Fuder Heu gekommen sein.
Doch damit nicht zufrieden, errichtete er auf dem neu erworbenen Besitz eine Kornmühle (die Puttke-Mühle) und legte daneben einen “Vogel – of eendenkoi” an, den man damals mit dem charakteristischer. Namen “Gluype oder Vogelfang” bezeichnete.
Ungeachtet aller Empörung und Widersprüche seiner Nachbarn ging Mulert noch weiter. 1577 erbat er von der königlichen Rechnungskammer in Utrecht, einen nahe bei der Grumsmühle liegenden Vogelteich, den sogenannten “Fißke-Diek”, der in der Bauerschaft Langen lag, in ewige Erbpacht nehmen zu dürfen. Er erbot sich, hierfür jährlich 28 Stüber Pacht zu entrichten, zahlbar zu Gunsten des Königs an den Lingener Rentmeister Friedrich van Limborch (Sohn des schon genannten Aleff v. Limborch). Bisher hatte der Teich nur 24 Stüber Jahrespacht eingebracht.

Da das Gutachten, das die Rechnungskammer in dieser Angelegenheit vom Rentmeister anforderte, sehr günstig ausfiel, bewilligte man in Utrecht am 22. August 1577 das Gesuch des Drosten – mit der Auflage, daß der Pachtpreis erhöht und auf 2 Pfund zu je 40 flämische Groschen festgesetzt werde, zahlbar auf Michaelis (29. Sept.), erstmals im Jahre 1578.
Obschon unter den Bauern der Umgebung ein Sturm der Entrüstung losbrach, blieb es bei der Verpachtung an den Drosten.
Immer noch waren die Expansionsbestrebungen des Drosten zu keinem Ende gekommen. Es dauerte nicht lange, da wandte er sich an die Stadtverwaltung in Lingen mit der Bitte, ihm die notwendige Unterstützung zu gewähren für die Gebiete, die auf dem Terrain der Stadt Lingen lagen, auf die er sein Augenmerk gerichtet hatte. Und wieder hatte der Drost Erfolg, denn am 26. Juli 1583 gaben der Bürgermeister und die Räte der Stadt seinem Ersuchen statt und erteilten dem “Ernvesten ende Manhaften Ernst Mulert, hun Landdrost” und seinen Erben die Genehmigung, einen Teich in der Gemarkung Lingen, genannt der “Vogelpool” – zwischen Brockhausen und der Grumsmühle gelegen -, aufzustauen mit dem Zweck, ihm die Möglichkeit zu geben, genügend Wasser für seine Mühlen wie auch für seine Fischerei zu bekommen, selbstverständlich vorbehaltlich der Rechte des Königs und anderer.
Was blieb der Stadtverwaltung in Lingen auch anders übrig, als den Wünschen des Herrn Mulert „hun Landdrost” zu entsprechen, der in der Grafschaft Lingen als oberster Beamter de Königs die Regierungsgeschäfte führte.
Wer weiß, welche Ansprüche der Drost noch an die ihm untergebene Behörde gestellt haben würde, wenn nicht ein plötzlicher Tod seinem Leben ein Ende gesetzt hätte.

Wieder sei hier Abel Eppens, der Biograph des Ernst Mulert, zitiert;
“(Ernst Mulert) was nu in den maent December (1587) verschreven van hartog van Parma, na Deventer to trecken myt 12 perden. Hy wordt in den velde angetroffen van de uth Lochum un persoentlich myt 9 (seiner Leute) doerscoten, dat alleene 3 der deneren weder te Lingen in-comen, und Mulert doet ingehalet, und also uth siyn regement entsedt”.

Ernst Mulert wurde im Monat Dezember (1587) vom Herzog vor Parme. befohlen, sich mit 12 Reitern nach Deventer zu begeben. Auf freiem Felde wurde er vorn denen aus Lochum überfallen und er selbst mit 9 seiner Leute totgeschossen, so daß nur drei der Diener nach Lingen entkamen und die Leiche des Mulert heimbrachten; so wurde er aus seinem Amt entfernt.
Bei den Mördern handelte es sich um “Geusen”, eine Liga der Verarmten und Unterdrückten des niederländischen Volkes zum Kampf gegen die spanische Herrschaft. Die. “Geusen.” waren zunächst illegal tätig, traten jedoch 1565 mit Ausbrach des langjährigen Bürger- und Religionskrieges, der mit dem Bildersturm im Dom zu Antwerpen begann, öffentlich hervor.

Ernst Mulert selbst muß als Offizier und treuer Anhänger des Königs von Spanien – mit einem solchen Ende gerechnet haben. Das geht aus einem Brief hervor, den er am 14. Mai 1580 – also fast 8 Jahre vor seiner Ermordung – an den damaligen Drosten zu Salland (einem Amtsnachfolger seines Vaters) geschrieben hat, in dem er seine Befürchtungen zum Ausdruck bringt, daß er
“nun da er völlig ohne Grund und zu Unrecht verdächtigt und gar mit Kriegsvolk angegriffen werde, sein Schicksal Gott und der Zeit anbefehlen müsse. Aber immer werde er treu zu seinem Eide stehen und seine Ehre zu verteidigen wissen, selbst wenn er auch – trotz seines Schutzbriefes, den der Erzherzog ihm ausgestellt habe – von derartigem Gesindel, Mord- und Brandstiftern, Räubern und Übeltätern, schlimmer noch als durch türkische Tyrannen, geplagt werde ….“.
Gewiß hat Ernst Mulert mit dem Gesindel die Geusen gemeint. Sie hatten ihm die Niederlage bei Hardingen im Mai 1567 nicht verziehen, die Mulert ihnen als Ahrembergischer Hauptmann beigebracht hatte, und ruhten nicht eher, bis sie den Drosten Ernst Mulert „uth syn regement entsedt” hatten. So führte jenes Ereignis, das dem Ernst Mulert zur Belohnung das Amt des Drosten der Grafschaft Lingen beschert hatte, 20 Jahre später zu seinem grauenvollen Tode.
Einen Tag nach der Ermordung, am 1. Januar 1588, schrieb seine Witwe Cunera van de Campe an den Statthalter Alexander von Parma:
“Gestern ist mein Mann, als er sich nach Brüssel gen Hof begeben wollte, von etlichen Staatistischern aus Lochum, so ihm vorgelegen, angerennt und entleibt (worden) ….“.

Im gleichen Brief bittet sie, daß Alexander von Parma auch weiterhin ihr und ihren Kindern ein gnädiger Fürst und Herr bleiben möge, besonders, was dem früher zwischen ihm und Ernst Mulert abgeschlossenen Vertrag über das Drost- und Rentamt in Lingen anbelange.
Einer so schwer geprüften Frau, die nun, nachdem sie schon vier Söhne im Dienst des Königs hingegeben hatte, auch noch ihren Gatten durch Mörderhand verloren hatte, konnte der Herzog schwerlich diese Bitte abschlagen, und so führte Cunera van de Campe als Drostin von Lingen die Amtsgeschäfte ihres Ehemannes weiter. Sie wurde hierbei tatkräftig unterstützt durch Johann Mulert, einem entfernt verwandten Vetter ihres Gatten, der selbst Drost des Königs in Twente war. Die Verwaltung des umfangreichen Besitzes führte die Witwe im Namen der Kinder nach dem Tode ihres Mannes selbst. Mit Recht kann man behaupten, daß sie den Besitz ihres Gatten gut verwaltete. Ein bemerkenswertes Dokument zeugt davon, wie sehr sie dabei ihre Interessen und die ihrer Kinder gewahrt hat.
Durch die ständig wechselnde Inbesitznahme Lingens während des Kampfes der Niederländer gegen die Spanier, dessen Folgen Raub und Brandschatzungen waren, hatte die Grafschaft viel gelitten. Die Stadt wurde 1597 durch Prinz von Oranien – Nassau eingenommen und 1605 durch den Marquis Ambrosius Spinola für die Spanier zurückerobert.

In jenen schweren und traurigen Tagen hatten der Drost Mulert und nach seinem Tode dessen Witwe ihre Nachbarn, die Markgenossen in Langen, öfters mit Darlehn unterstützt. Als Sicherheit ließen sich die Eheleute Mulert von den Verwaltern der Mark Langen eine Anzahl Grundstücke übereignen, die zur Abrundung des Gebietes der Grumsmühle dienlich waren. An eine Rückzahlung durch die Schuldner war wegen der unruhiger Zeiten sowieso vorerst nicht zu denken.
Immer wieder kam es in dieser Angelegenheit zu Zank und Ärger zwischen den Schuldnern und dem Gläubiger. Um den Streitereien ein Ende zu machen, verlangten die Bauern von Langen die Tilgung aller Schulden gegen Aufrechnung der den Mulerts pfandweise überlassenen Grundstücke. Dieses Ansinnen lehnte Frau Cunera ab, da sie sich bei dieser Regelung durch die Schuldner übervorteilt glaubte.
Nun schlugen die Markgenossen von Langen eine neue Gebietsaufteilung vor und erklärten sich bereit, die fraglichen Ländereien mitsamt der anliegenden Gewässer abzutreten. Diese Regelung aber stieß innerhalb der eigenen Reihen auf Widerstand, denn einige der Markgenossen befürchteten, Frau Cunera Mulert könnte – einmal im Besitz der Gewässer – diese eines Tages aufstauen und ihnen durch Verhinderung des natürlichen Wasserablaufs großen Schaden zufügen.
Trotz allen Mißtrauens auf beiden Seiten kam es dann schließlich doch durch die Vermittlung des damaligen Rentmeisters Wilhelm Grothuis, des Hausvogts Hendrick Flaginck und des Forstmeisters von Lingen, Adolf Cloppenburg, zu einem Vergleich, der am 23. Juni 1595 durch den Notar zu Lingen, Berent Menger, auf Haus Grumsmühlen beurkundet wurde.

25 Jahre lang hatte Cunera, die Witwe des Drosten Ernst Mulert, die Hinterlassenschaft des auf so tragische Weise entrissenen Gatten treu verwaltet, trotz aller Gefahren und Nöte, denn durch die Kriegsereignisse wurde dem Besitz gewiß viel Schaden zugefügt. Der Aufstand der Geusen hatte sich inzwischen zu einem erbitterten Kampf der Niederländer gegen die spanische Vorherrschaft ausgedehnt. Beide Parteien bekämpften sich mit. unerbittlicher Härte und stets wechselnden Erfolgen, bis es endlich nach einem 80 jährigen Krieg (1568-1648) den Niederländern gelang, im Frieden zu Münster ihre politische Freiheit zu erringen..
Der während der niederländischen Herrschaft eingesetzte Drost der Stadt und Grafschaft Lingen war der Junker Albrecht von Ittersum (1579 – 1605), dessen Mutter Johanna Mulert, die Tochter des salländischen Deichgrafen Henrick Mulert, war. Somit war der neue Drost ein entfernter Verwandter der Mulerts auf Grumsmühlen. Das Drostamt blieb also gewissermaßen “in der Familie”, wenn auch die jeweiligen Inhaber in ihrer politischen Überzeugung nicht mehr übereinstimmten.
Sicherlich hatten es die Mulerts zu Grumsmühlen dieser verwandtschaftlichen Verbindung zu verdanken, daß sie als Anhänger des Königs von Spanien auch nach der Eroberung der Grafschaft Lingen durch die Niederländer weiterhin im Besitz ihrer Güter bleiben konnten, während die Anhänger des Hofes zu Madrid sonst stets in den von den Niederländern besetzten Gebieten wegen ihrer Königstreue mit der Einziehung des Vermögens und der Vertreibung von Haus und Hof bestraft wurden.
Am 12. Juni 1612 machte Frau Cunera Mulert ihr Testament und starb kurz darauf. Neben den Töchtern trauerten um sie die letzten drei ihrer Söhne.

1)Johann Mulert: Wurde Graf des heiligen Römischen Reiches, Ritter des Ordens von Calatrave, Mitglied des spanischen Kriegsrates, Kammerherr und Leutnant bei der Leibgarde des Erzherzogs Albrecht vor Österreich, Generalkommissar des Hennegaus. Er starb als Graf von Hautrippe. Als ältester Sohn hatte er die Mulertsche Besitzungen im Emsland übernommen, sie aber am 4. April 1613 seinem jüngeren Bruder Ernst verkauft.

2) Dietrich Mulert: Gehörte seit dem 30. Dezember 1603 den Domkapitel zu Utrecht an und starb dort im Alter von 95 Jahren, am 12. November 1665, als Vize-Domdechant.

3) Ernst Mulert: Nachdem er am 4. April 1613 den Besitz der Grumsmühle gekauft hatte, widmete er sich sofort mit voller Kraft der Verwaltung und dem Ausbau dickes Gutes. Zu den Schwierigkeiten, die sein verstorbener Vater mit den umliegenden Nachbarn hatte, kamen noch die Drangsale und andauernden Kämpfe zwischen den Spaniern und den Niederländern, die sich immer wieder bis ins Emsland ausdehnten.

Im Rieksarchiv Limburg in Mastrich lagert ein dickes Aktenbündel, das uns Auskunft über die Prozesse, die Ernst Mulert junior als Herr auf Grumsmühlen wegen seines Besitzes vor der Rechnungskammer des spanischen Königs in Roermond führen mußte, um sich gegen die andauernden Klagen der Bauern aus den umliegenden Gebieten zu wehren. Er setzte immer wieder alle Hebel in Bewegung. All den Widerständen zum Trotze den ererbten Besitz zu halten und zu vergrößern. Unterstützt wurde er hierbei oftmals durch seinen Schwiegersohn, den Kapitän Hendrick Glauwe.
Auch Kapitän Glauwe stand, wie hätte es anders sein körnen, auf Seiten der Spanier. Glauwe stand bei der Spaniern in hohem Ansehen; er war Oberjägermeister der Veluve und hatte daher bestimmt viele einflussreiche Freunde.
Wenn auch Ernst Mulert jun. nicht so eine ausgeprägte Persönlichkeit war wie sein Vater, führte er das Werk, das seine Eltern begonnen hatten, tatkräftig weiter. Als er die Möglichkeit einer neuen Gebietserweiterung erblickte, wandte er sich sofort an den Rat der Finanzen des spanischen Königs in Brüssel mit dem Gesuch, ihm zur Abrundung dessen, was seinem Vater schon zugewiesen worden war, zwei weitere Gebiete in Erbpacht zu überlassen, und zwar den sogenannten “Vosspoel” und den “Velddiek”, beide im Lande Lingen gelegen. In seiner Bittschrift erklärte er, die beiden Stücke brächten dem König jetzt nur 12 Stüber Pacht ein, er dagegen sei bereit, eine jährliche Pachtsumme von 2 Gulden zu zahlen. Ferner bat er um Zuweisung einer Parzelle, genannt “de Ham”, für die er einen Betrag von 6 Gulden aufzubringen versprach.
Aber, was wußten die Finanzbeamten in Brüssel von den Verhältnissen in dem so weit abgelegenen Land Lingen? Gewiß nicht viel, und um nähere Auskünfte zu erhalten – wandten sie sich deshalb an die ihnen unterstellte Rechnungskammer für Geldern in Roermond, die damals für das Land Lingen zuständig war. Doch die Herren der Rechnungskammer im Herzogtum Gelderland zu Roermond wagten sich ebenso wenig an eine persönliche Untersuchung. Sie wußten nichts besseres zu tun, als ihrerseits die Akten dem damaligen Rentmeister zu Lingen, Junker Adrian Pinnink, zu übersenden, der dann seinerseits am 10. Oktober 1623 einen ausführlichen Bericht verfaßte.
Der Rentmeister war der Meinung, daß die erbetene Verpachtung der Ländereien, sowohl des “achter de Grumsmollen naer Münnikbueren het Vosspoel” als auch des “Velddieks achter dem Brockhuise”, gewiß zum Vorteil seiner Majestät des Königs dienlich seien, besonders wenn man bedenke, daß diese, zusammen mit den übrigen 23 dem König gehörenden in einem toten Arm der Ems liegenden Vogelteichen, bei einer öffentlichen Verpachtung am 1. Januar 1623, insgesamt nicht mehr als 3 Gulden und 10 Stüber aufgebracht hätten. Er gab aber zu bedenken, daß, wenn man sich zu einer Verpachtung an den Junker Mulert entschließen würde, und dieses gelte besonders für die Parzelle “de Ham”, die interessierten Markgenossen das Recht fordern würden, in den Sommermonaten und bei Trockenheit dort ihr Vieh weiden zu lassen und aus der Parzelle Material (Plaggen) zu holen, zur Verbesserung des Ackerlandes. Zudem habe der König als souveräner Herr der Marken das Recht, sowohl über diese Gebiete nach eigenem Gutdünken zu verfügen als auch zu jeder Zeit auf diesen Teichen Vögel zu fangen. Er schlug vor, dem Gesuch um die Verpachtung stattzugeben, vorausgesetzt, der Bittsteller gebe den interessierten Markgenossen keine Gelegenheit, sich zu beklagen. Ferner soll ihm die Verpflichtung auferlegt werden, die geforderter. Grundstücke nicht nur zu verbessern, sondern auch zwischen der Grumsmühle und den Pachtländereien auf’ eigene Kosten einen guten Weg mit ein oder zwei Brücken anzulegen und zu unterhalten ohne hierfür Hand- und Spanndienste der Bauern in Anspruch zu nehmen; “um zu verhindern, dass die Einwohner von Gersten-Drope und Langen durch des Königs Hof und Wald führen, was sie bislang immer wieder täten, zum großen Schaden dieses Hofes”. Dieses Schreiben sandte er am 04. Dezember 1623 an die Herren der Rechnungskammer in Roermond.
Es ist Verständlich, daß der Rentmeister Pinnink alle Interessenten in dieser Sache zufrieden stellen wollte, aber dies ist meißt ein sehr zweifelhaftes Unterfangen. In diesem Falle war es besonders schwierig, da es sich hier um bereits verpachtetes Land handelte. Mulert wäre bei einem eventuellen Kauf nicht in der Lage gewesen, über die Grundstücke zu verfügen, denn das Pachtrecht wäre trotz des Kaufvertrages bestehen geblieben.
Vorsichtig, vielleicht auch ängstlich geworden, forderte die Rechnungskammer neue Gutachten aus Lingen an, einmal vom Drost, dann vom Rentmeister und außerdem noch vom Forstmeister. Die Antworten folgten schnell, zusammen mit einem Bericht über Lage und Größe der drei erbetenen Parzellen. Dieser Lageplan wurde durch den in Lingen ansässigen Notar und Landmesser Egbert Wantscher am 22. Oktober 1624 aufgestellt.

Es ist verständlich, daß Ernst Mulert diese ganze Prozedur, mit der seine Bitte um Zuweisung der fraglichen Stücke behandelt wurde, nicht behagte. Er wandte sich darum mit einem Gesuch direkt an den Superintendent und die Räte der Gelderschen Rechnungskammer. Er beklagte sich, daß der Rentmeister von Lingen, obwohl ihm sein Interesse an den Ländereien bekannt sei, dennoch die Grundstücke anderweitig verpachtet habe und diese somit für den König bedeutend geringere Einnahmen erbracht hätten. Aus diesem Grunde verlangte er von der Rechnungskammer, die am 22. Dezember 1625 gegebene Anordnung bestehen zu lassen und dem Rentmeister zu befehlen, ihn (Mulert) in den Besitz der zwei Stücke “de Rouvenne” und “de Vosspoel” zu stellen, “sonder regard te nemen opt genige eenige benaeberte boeren willen queruleeren”. (Ohne Rücksicht auf das, was einige benachbarte Bauern einwenden würden).
Er bezog sich darauf, daß schon im Jahre 1577 die Rechnungskammer seinem seligen Vater einen Vogelteich zuerkannt habe, trotz des ebenso heftigen Widerstandes der Bauern. Darum habe er in diesem Falle gefordert, die inzwischen stattgefundene Verpachtung aufzuheben und ihn in den Besitz der Grundstücke zu setzen.
Der Rentmeister wies mit Verfügung vom 14. Dezember 1626 Mulerts Gesuch ab. Er erklärte sich zwar im Prinzip bereit, den Antragssteller in den Besitz der beiden Vogelteiche zu setzen, von einer entsprechenden Anordnung habe er allerdings nichts gewußt, da er das ganze Jahr abwesend gewesen wäre; wohl wisse er, daß die Bauern der Nachbarschaft und auch die Markgenossen sich seitdem beim Hof in Brüssel wiederholt beklagt hätten.
Inzwischen jedoch hatte Mulert Unterstützung durch die Ritterschaft des Landes Lingen erhalten. Am 26. November 1625 entsandte sie drei Vertreter, nämlich Johann Tork zu Lengerich, Johann Voss zu Besten und Heinrich Schade zum Hange, zu einer Sitzung, die in Baccum stattfand;
es wurde eine Bittschritt an die Rechnungskammer zu Roermond abgefaßt, in der man darauf bestand, dem Gesuch des Mulert zu entsprechen, nicht allein, weil dies zum Nutzen der königlichen Majestät sei, sondern auch, weil ihr Standesgenosse als einziger Interessent für die betreffenden Parzellen in Frage käme.
Wie schon aus dem Briefwechsel mit dem Rentmeister hervorging, blieben die beteiligten Bauern und Markgenossen ihrerseits auch nicht still; sie beauftragten die Advokaten, ihre Sache vor Gericht zu vertreten. Die Eingesessenen des Kirchspiels Baccum, der Bauerschaft Langen und Brockhausen wandten sich an die Höltingsdeputierten der Grafschaft Lingen. Sie protestierten gegen die Verzögerung und die Rechtsverdrehung, womit Mulert versuche, den Prozeß in die Länge zu ziehen. Zugleich beklagten sich die Eingesessenen des Kirchspiels Baccum und der Bauerschaft Langen, der Junker Mulert habe häufig ihr Vieh “geschüttet” (beschlagnahmt), während er es sei, der es versäumt habe, seine Hecken und Zäune in Ordnung zu halten trotz der zwingenden Vorschriften des Landrechts. Mulert setze sie täglich (!) großen Belästigungen aus, da er auf dem von ihm erworbenen Grundstück eine Herberge erbaut habe, die in der Regel von Soldaten besucht werde, die sich dort betrinken würden oder, sich betrunken stellend, anschließend die Bauern bedrohten. Auch die Diener und Knechte des Junkers schämten sich nicht, “grote gewalt ende moetwil” gegen die Bauern zu verüben. Darum verlangten die Bittsteller, daß Mulert angehalten werde, seine Hecken und Zäune gemäß der Höltingsvorschriften in Ordnung zu bringen; ferner, daß seine Knechte und Diener, falls sie sich nicht nach Gebühr betragen würden, ihrer gerechten Strafe zugeführt würden.
Eine dritte Klage wurde bei dem “Wohledlen ende Erenvesten Jan de Borghreff, coninklike Majesteits Hopmann en Verwalter des Drostamts Lingen” und den übrigen Höltingsdeputierten durch die gesamten Einwohner der Bauerschaft Langen vorgebracht. Sie beschwerten sich, daß Junker Mulert entgegen der Bestimmungen der Höltingsordnung ein neues Bauernhaus errichtet habe. Sie verlangten den Abbruch desselben und die Festsetzung einer Geldbuße, zu zahlen in die Kasse des Königs.
Inzwischen hatte Kapitän Glauwe bei der Rechnungskammer zu Roermond erreicht, dass sein Schwiegervater sowohl den “Vosspoel” als auch den “Veltdiek” in Erbpacht erhielt, trotz aller Beschwerden der Einwohner des Kirchspiels Baccum und der Bauerschaft Brockhausen. Aber so ganz erledigt war die Angelegenheit noch nicht, denn die Herren von Roermond gaben ihrer Verwunderung Ausdruck, daß der Drost von Lingen, Herr F. Micault van Indelden, der seiner Zeit dieses Amt bekleidete, noch immer nicht das angeforderte Gutachten eingesandt hatte. Erst später stellte
sich heraus, daß der Drost sogar zwei Schreiben abgesandt hatte, am 23. November und am 28. Dezember 1625, die aber irrtümlich in einem Aktenbündel des Rentmeisters Pinninck hängengeblieben waren, der sie dann mit der Bitte um Entschuldigung der Rechnungskammer zuschickte. Aus den beiden Briefen ging hervor, daß der Drost gegen die Pläne des Junkers Mulert war und ganz und gar auf der Seite der Bauern stand.

Sofort setzte sich Kapitän Glauwe hiergegen zur Wehr; aufgrund seiner einflußreichen Stellung, die er inne hatte, konnte er seine Argumente überzeugender vorbringen als jene, die zwar im Recht waren, aber nicht über so gute Beziehungen verfügten.

Außerdem wandte er sich in einem freundschaftlichen Brief, am 17. Februar 1626, an den Ritter van Dueren. In dem in französischer Sprache abgefaßten Brief wies er nochmals darauf hin, daß der “Vosspoel” und der “Veltdiek” seit unbedenklichen Jahren, sowohl im Sommer wie auch im Winter, stets unter Wasser stünden. Sein Schwiegervater, so versicherte er, verlangte nur, hier einige Erdarbeiten auszuführen, um näher an sein Haus kommen zu können; die ganze Hetzerei aus Lingen, die der Drost inzeniere, sei nur, um seinen Schwiegervater Mulert zu schikanieren.

Am 30. April 1629 schrieb Glauwe nochmals an den Präsidenten, daß die Dorfbewohner auf’ keine gesetzliche Art und Weise gegen die, durch die Kammer in des Königs Namen ausgesprochene Konzession Einspruch erheben könnten, und sie wären niemals auf solche Gedanken gekommen, wenn sie nicht aufgestachelt worden seien durch den Forstmeister Hoseus, der gemeinsam mit dem Advokaten Hoffschlag die Einwände ausgedacht habe. Die Rechnungskammer, so legte er weiter dar, möge die Anweisung aufrecht erhalten und den Drost-Stellvertreter, Johan de Borghreeff, auftragen, Mulert in den Besitz der Parzellen einzuweisen und jeden Widerspruch, soweit er nicht durch gesetzliche Bestimmungen zulässig sei, unter Strafandrohung verhindern.

Nachdem er sich bitter beklagte, dass schließlich alle Mühen, die sein Schwiegervater und er selbst sich in dieser Angelegenheit schon gemacht hätten, vergeblich gewesen sein könnten, was er jedoch nicht erwarten würde, wandte sich die Rechnungskammer mit einen neuen Schreiben nach Lingen, und zwar an den Sekretär Puteanus, an den stellvertretenen Drosten Jan Borghreeff, den Richter und den Forstmeister sowie an die Versammlung der Höltingsdeputierten, um weitere Informationen zu erhalten. Es wurde in dem Schreiben darauf hingewiesen, das dem Junker Mulert einmal zugestandene Recht zu achten, es sei denn, die Nachteile seien wirklich so schwerwiegend, wie behauptet werde.

Ein weiteres Schreiben der Rechnungskammer ging an den Assessor van de Kontribution van Ober-Rhijn, Bernhard Boncamp, mit der Frage, ob denn nun wirklich das dem Junker Mulert verliehene Recht zum Vorteil des Königs beitrage, wie Glauwe behauptet habe. Man bat Boncamp um Stellungnahme in dieser durch den endlosen Schriftverkehr allmählich berüchtigt gewordenen Angelegenheit, da er ja selbst eine Reihe von Jahren Rentmeister des Amtes Lingen gewesen sei. Die Beschwerdeschrift der Bauern, so versicherte Boncamp, sei eine Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung, auch er habe derartige Klagen über die Sache vernommen. Man habe ihm bestätigt, daß Hauptmann Glauwe sich hauptsächlich um die Sache bemühe, um sich bei seinem Schwiegervater beliebt zu machen.

Die Vogelteiche stünden zwar im Winter unter Wasser und würden für die Jagd verpachtet, aber im Sommer seien diese Gebiete grün und würden dann von Markgenossen als Weide genutzt, auf die sie nur schwerlich verzichten könnten. Ein anderer Teil sei von Mulert schon früher trocken gelegt worden, und zwar bei Nacht und Nebel aus Furcht vor dem Eingreifen des Drosten.

Ferner habe Boncamp erfahren, dass Mulert auf der letzten Zusammenkunft der Höltings-Genossenschaft ein erhebliches Stück Land zugewiesen bekommen habe unter der Bedingung, daß dieses das letzte sei, was er zu beanspruchen habe. Er persönlich sei der Meinung, daß es das Beste sei, den “Veltdiek” öffentlich zu verpachten. Junker Mulert könne dann zusammen mit anderen Interessenten ein Angebot abgeben. Der daraus erzielte Betrag könne zum Ankauf anderer Grundstücke verwendet werden. Die neu erworbenen Grundstücke könnten den Leuten aus Baccum, Brockhausen und Langen für 30 bis 40 Gulden pro Jahr in Erbpacht überlassen werden.

Nachdem die Herren Borghreeff, P. Hoseus und Henrich Menger den durch den Junker Mulert beanspruchten Grundstücke besichtigten und ein Versuch, die Interessenten zu einem Vergleich zu bewegen fehlgeschlagen war, weil die Opposition “van de kant van’s Königs onderdanen” (Einwohner) zu stark war, wüßten sie nichts besseres, als sich auf ihre früheren Berichte zu beziehen und zu wiederholen, dass der Standpunkt der Markgenossen wirklich begründet sei. Wiederum schrieb Kapitän Glauwe am 21. Juni 1626 aus Lingen an den Ritter van Dueren und beschwerte sich über die Anmaßung der genannten Herren, die – seiner Meinung nach – sich bemühten, das Ansehen der Rechnungskammer zum Nachteil der Behörde der königlichen Majestät herabzusetzen. Denn – so fügte er hinzu – wenn die Bauern mit ihren Widersetzlichkeiten siegten, könne der König in ähnlichen Fällen nicht mehr frei entscheiden, es sei also eine Sache mit schwerwiegenden Folgen.

Aus diesem Grunde wiederholte Glauwe sein früheres Ersuchen, seinen Schwiegervater in den Besitz der Grundstücke unter Festsetzung einer Geldstrafe für die Opposanten einzuweisen, wie es in früheren Fällen schon geschehen sei. Seinem Schreiben fügte er ein ausführliches Memorandum des Junkers Mulert mit folgender Beweisführung hinzu:

“Das Gut Grumsmühlen sei vor mehr als 70 Jahren seinem Vater verkauft worden, und zwar nicht von den “Fraterherren zu Münster, sondern durch den damaligen Rentmeister Friedrich van Limborch und sei seitdem ein freier unbelastbarer Besitz, unter dem Namen „Welde“ (Jagdgebiet) eingetragen, und seit altersher habe die Wassermühle zum Gut gehört. In diesem Verhältnis habe sich seit 55 Jahren nichts geändert. Inzwischen habe der Landesherr die Grumsmühle mit den Privilegien und Rechten eines Adelsgutes versehen. Weiter führte er an, daß die Gebietserweiterung zu seinem Gut nicht von den Marken Baccum und Lingen herrührten und schon gar nicht aus Brockhausen, sondern ausschließlich aus dem Bezirk Langen. Der “Visschediek”, den sein Vater 1557 von der Rechnungskammer in Erbpacht erhalten habe, sei durch dessen besonderen Mühen und Fleiß und mit enormen Kosten erst kultiviert worden. Zuvor sei er Unland gewesen, auf dem wilde Vögel und Tiere gelebt hätten und weder Pferde noch Kühe hätten weiden können. Ebenso verhalte es sich mit den vier Molt Saatland, die aus der wilden Heide, der Grumsmühle angegliedert worden seien; dieses äußerst unfruchtbare Land hätten die Bauern von Langen in den bitteren Kriegstagen, unter dem Oberst Cutsbach, selbst zum Kauf angeboten und auch verkauft, da diese Ländereien für sie selbst viel zu abgelegen waren. Als Beweis legte Mulert den Kaufvertrag vom 13. Oktober 1574 vor.

Seit 50 Jahren sei kein anderes Stück Land aus der gemeinen Mark seinem Besitz zugefügt als das, was ihm die Höltings-Genossenschaft am 17. September 1624 überlassen habe. Die Unverschämtheit und Böswilligkeit der Bauern werde außerdem deutlich aus der freiwilligen Zusage, die Mark durch eine Umzäunung abzugrenzen, die von den Besitzern der Grumsmühle bis zum heutigen Tag noch nicht ein einziges Mal gefordert worden sei.

Auch habe die Mark Langen einen Vogelteich verkauft, etwa 8 -10 Ruten unfruchtbaren Landes, wovon niemand einen Nutzen haben könne, da das Gebiet im Wasser liege und die Markverwaltung selbst verhindere, daß das Wasser aufgestaut würde. Er (Mulert) sei sehr erstaunt, daß die Mark nicht geklagt habe, als vor drei Jahren durch Hendrick van Zwolle ein Vogelteich angelegt worden sei.

Da nun schon ein halbes Jahrhundert vergangen sei, daß die Mark ihr Land an Mulert verkauft habe, sei es das gute Recht des Käufers, dieses Land zu kultivieren; es ginge nicht an, daß man aufgrund der Höltingssatzung noch immer versuche, Einfluß auszuüben,

Wenn seine Opposenten sich darüber beschwerten, daß er zwei (Bauern) Häuser auf seinem eigenen Grund und Boden errichtet habe, so seien die Rechte der Markgenossen dadurch nicht beeinträchtigt worden, sondern eher bevorteilt: Mulerts Rechtsvorgänger hatten schon immer 50 bis 60 “bestialen” (Tiere) aus der Grumsmühle in die allgemeine Mark getrieben; er dagegen ließe seine Pferde und Kühe auf eigenen Grund und Boden weiden. Zudem sei die Anzahl der Kühe, die seine zwei Bauern aus der Grumsmühle auf dem Gebiet der Mark weiden ließen, sehr gering, wogegen die Marken Baccum und Langen immer mehr Pächter (Heuer-Leute) auf ihren Bauernhöfen zuließen, die nun alle von den öffentlichen Weideplätzen Gebrauch machten.
Als Mulert durch die Höltingsdeputierten den Zuschlag erhalten habe und dieses Stück von der Mark Langen durch einen Zaun abgegrenzt habe, seien die Bauern von Baccum gekommen, um die Abgrenzung wieder zu zerstören.

Wie er gesehen habe, daß etwa 60 bis 70 Mann mit Schüppen und Spaten herankamen, habe er ihnen seine Knechte entgegengeschickt, damit diese die schon begonnene Zerstörung verhindern sollten. Er selbst habe dann die Höltingsdeputierten zusammengerufen, um einen Vergleich in der strittigen Frage zu erreichen. Aber davon hätten die Bauern nichts wissen wollen. Es sei zu einer Schlägerei gekommen, ein Bauer habe ihn, den Junker Mulert, angegriffen und vor die Brust gestoßen, so daß er niedergefallen sei. Das habe die Knechte aus der Grumsmühle so sehr gereizt, daß sie nun ihrerseits “dreingeschlagen” und dabei zwei Leute aus Baccum verwundet hätten, während zwei seiner eigenen Leute tödlich verletzt worden seien. Nun werde behauptet, einer der Baccumer sei an den Folgen eines Schlages auf den Kopf gestorben. Dieser Mann sei jedoch sehr viel später, als die Verwundung schon längst verheilt war, an einer anderen Krankheit “op sien eigen bet” (in seinem eigenen Bett) gestorben, dies könne ein Arzt bezeugen.
Weiter gab Mulert in seiner Denkschrift eine ausführliche Erörterung, wie im einzelnen die Rechte bezüglich der verschiedenen örtlichen Ländereien in besonderem Zusammenhang stünden. Er erläuterte insbesondere die Beziehungen zwischen der Pfarre Lengerich, dem Kirchspiel Baccum, den Marken von Lingen und Baccum und der Gegend von Brockhausen und an Hand dieser Darstellungen die anfallenden Arbeiten, wie das Weiden des Viehes, das Mähen des Ödlandes, das Torfstechen und so weiter. Dabei unterließ er es nicht zu erklären, wie es mit der Bachregulierung zwischen seiner Mühle und der Mühle von Lingen stände und behauptete, daß man die Wasserzufuhr der königlichen Mühle verbessern könne, wenn man sein Gesuch um Zuweisung der beantragten Ländereien billigen würde. Er sei gern bereit, die entsprechenden Vorschläge dafür zu machen. Durch den “Vosspoel” ließe sich das sehr gut bewerkstelligen. Dieses Gebiet liege unbestritten in der Mark Langen, während die Baccumer nur das Nutzungsrecht hätten. Dieses Recht sei aber illusorisch, da der Teich zur Sommer- wie auch zur Winterzeit selten trocken läge. Wenn nun der Fischteich und der Vogelweiher des Königs austrocknen würden: wer solle dann den Nutzen davon haben? – Der König, in dessen Macht es liege diese zu verpachten, um dann den Gewinn seinen Domänen zukommen zu lassen -, oder sollten die Markgenossen den Provit davon haben? Seiner Auffassung nach sei es grundsätzlich so, daß der, dem das Wasser gehöre, auch Anspruch auf den Zuwachs bzw. die Verlandung habe (also der König)”.

Mit der Regulierung des Mühlenbaches war die Trockenlegung des “Vosspoels” verbunden, und auf den Zuwachs an Land reflektierte Mulert.
Neben weiteren Beispielen, wo ausgetrocknete Gewässer vom König neu in Erbpacht vergeben seien, wies Mulert auf den “Vogelpoel van’t Mickelmeer” im Kirchspiel Baccum hin, der seinem Vater vom König in Erbpacht überlassen worden sei; und dann, soweit er verlandet sei, dem Eigenhörigen des Königs, “‘up de Calmer”, verpachtet wurde.
Aus allen diesen Beispielen könne der königliche Hof leicht erkennen, daß das Recht auf seiner (Mulerts) Seite sei, und daß die vielen Klagen der Bauern unberechtigt seien. Um des Königs Recht, Gerechtsame und Souveränität in allen Lingener Marken zu wahren, verlange er vom Hof, daß die ihm einmal verliehenen Erbpachten aufrechterhalten blieben, ohne dass er durch die Einwohner von Langen und Baccum daran gehindert und geschmälert werde.

Wie dieser im Laufe der vielen Jahre immer komplizierter gewordene Prozeß ausgegangen ist, darüber geben die Akten leider keine Auskunft.

Ob allerdings Mulert sich seiner Erfolge freuen konnte, ist zu bezweifeln. Sein Schwiegersohn, Hendrick Glauwe, der sich so sehr für die Belange seines Schwiegervaters einsetzte, starb um 1630. Im folgenden Jahr verloren Ernst Mulert jun. und seine Frau Aleyd von Frese innerhalb von sechs Wochen zwei Kinder, die mit 19 und 25 Jahren, in der Blüte des Lebens, dahingerafft wurden. Sehr wahrscheinlich erlagen sie einer durch die Kriegsereignisse ausgebrochenen Epidemie. Die Inschrift auf dem schon erwähnten Epitaph im Chor der Thuiner Kirche, liefen die Eltern, zur Erinnerungen die so früh verstorbenen Kinder, durch den Bildhauer Adam Stenelt anfertigen. Eine ähnliche Inschrift ist auf der Grabplatte, unter der die beiden Geschwister in der Thuiner Kirche bestattet wurden, zu lesen. Die Verstorbenen sind darauf in Lebensgröße abgebildet.
Ernst Culert jun. starb am 8. September 1643. Seine Witwe, Aleyd von Frese, Frau zu Grumsmühlen, Camphausen, Erbtochter zu Hinte und Grothaus, starb 9 Jahre später am 18. August 1652. Sie wurde neben ihrem Gatten und ihren Kindern im Chor der Kirche zu Thuine beigesetzt.
Das Erbe Mulerts, die Grumsmühle, ging auf den Enkel Ernst-Hendrick Glauwe über, den Sohn des 1630 verstorbenen Kapitän Hendrick Glauwe. Unklar ist, welche Tochter des Ernst Mulert jun. Die Frau des 1630 verstorbenen Kapitän Hendrick Glauwe gewesen ist. Mit ihr hatte Hendrick Glauwe 2 Söhne: Hendrick.Thomas und Ernst-Hendrick, der wahrscheinlich der ältere der beiden Brüder war. Er hatte, wie es früher üblich war, den gleichen Vornamen wie der mütterliche Großvater und wurde später Erbe des Hauses Grumsmühlen.
Unter ihm brach das Unheil über den vom Großvater und Urgroßvater mit viel Liebe und Fleiß gegründeten Familienbesitz der Mulerts im Emsland herein. Er war eine Spielernatur und soll dadurch in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sein, so dass Grumsmühlen immer mehr belastet wurde. 1671 soll Ernst-Hendrick Glauwe nach enormen Spielschulden durch Selbstmord seinem Leben ein Ende gesetzt haben.

Nach ihm wurde sein Sohn Gerrit-Gracht Glauwe Herr auf Grumsmühlen. Aber schon im folgenden Jahr, am 02.03.1672, kam es zur öffentlichen Versteigerung. Grumsmühlen war nicht mehr zu retten. Am 30. Juni 1673 erwarb es die Familie von Böselager zu Eggermühlen.

Am 31.07.1572 hatte Ernst Mulert sen., Drost zu Lingen, Grumsmühlen erworben; so war es genau 100 Jahre im Besitz der Familie Mulert und deren Nachkommen Glauwe. Der Sohn, Ernst Mulert jun., setzte die vom Vater begonnene Arbeit fort. Mit dem frühen Tode des Enkels Ernst-Arnhold starb das Geschlecht der Mulerts im Emsland aus. Was hoffnungsvoll begonnen war, zerrann unter den Händen des Urenkels zu einen Nichts.

Grumsmühlen im Besitz der Familie von Böselager.

Am 13. September 1680 wurden dem Sohn des Ankäufers, Wolfgang von Böselager, durch eine vom Prinzen von Oranien ausgestellte Urkunde alle landesständischen Vorrechte, die Mitgliedschaft der Landesritterschaft und alle sonstigen Privilegien verliehen. Ausdrücklich wurde in der ausgestellten Urkurde erklärt, daß dem Baron von Böselager die Vorrechte wegen seines Besitzes in Grumsmühlen zugestanden werden. Damit war Grumsmühlen vom Landesherrn als Rittergut anerkannt, das ja in früherer Zeit stets den Adel des Besitzers zur Voraussetzung hatte.

Es ist erstaunlich, daß der streng protestantische Prinz von Oranien dem Junker von Böselager diese Vorrechte bewilligte, obgleich dieser fast um dieselbe Zeit als eifriger Verfechter des Katholizismus galt. Unter den folgenden Besitzern aus der Familie von Böselager zeichneten sich ebenfalls mehrere eifrige Verfechter und Förderer des Katholizismus ab. So wissen wir von Kasper-Heinrich von Böselager, der 1753 auf Grumsmühlen wohnte, daß er rastlos tätig war, um auch katholischen Schullehrern das Recht zum Unterricht innerhalb der Grafschaft Lingen zu erwirken.
Kirchlich orientiert war die Familie von Böselager außer nach Thuine auch nach Baccum. In dem ältesten Kirchenbuch der katholischen Kirchengemeinde zu Baccum befindet sich eine Eintragung aus dem Jahre 1743, daß in dem göttlichen Kirchhause zu Baccum, die Bank auf dem 2-ten Chor dem hochadligen Haus Grumsmühlen, von dem derzeitigen Pastor vergönnt worden sei. Diese Vergünstigung, die mit Einverständnis der Gemeinde ausgesprochen wurde, konnte jedoch jederzeit wieder ausgesetzt werden.
Auch Max-Friedrich von Böselager, der 1816 Landdrost zu F’ürstenau war, machte sich Anfang des 19. Jahrhunderts hochverdient um die Verteidigung des katholischen Schulwesens in der Grafschaft Lingen. Die Grafschaft war am 27. Dezember 1815 aus preußischem Besitz an Hannover übergegangen. Mit der Verwaltung der politischen Verhältnisse in der Grafschaft betreute der König von Hannover den genannten Landdrost zu Fürstenau, der dadurch eine bedeutende Stellung erhielt und als Spezialkommissar der Regierung seinen Sitz im Regierungsgebäude in Lingen hatte. So konnte er nicht auf Grumsmühlen wohnen, zumal ihm im Jahre 1816 auch die administrative Kommission zur Regelung der zerfahrenen Kirchen- und Schulverhältnisse in der Grafschaft Lingen übertragen wurde.
Obwohl Max-Friedrich von Böselager nicht auf Grumsmühlen wohnte, hat er manches dafür getan. So verbesserte er die Wohnungen der verschiedenen Pächter (Heuerleute), die rings um das Gut wohnten. Im Jahre 1841 baute er das Herrschaftshaus auf Grumsmühlen vollständig um. Max-Friedrich von Böselager starb 1845.

Im Laufe vergangener Jahrhunderte erwarb das Gut Grumsmühlen in der Baccumer Feldmark umfangreiche Ländereien. Als dann auf Antrag der Baccumer Markgenossen, am 29. November 1843 von der königlichen Landdrostei zu Osnabrück, die noch vorhandene Fläche von etwa 4500 Morgen zur Aufteilung freigegeben wurde, war somit auch das Gut Grumsmühlen anspruchsberechtigt. Von der Teilungskommission wurde bei dieser Gelegenheit ausdrücklich festgestellt, dass die Grenzen der Gutsländereien, um die es ja bekanntlich schon viel Streit gab, anerkannt wurden. Es wurde hervorgehoben, daß bei der Verhandlungen Zweifel und Streitigkeiten nicht stattgefunden hätten.

Für den abwesenden Besitzer des Gutes Grumsmühlen, Baron von Böselager, trat als Bevollmächtigter auf, der Bürgermeister der Stadt Lingen, Dr. Horkel; Dr. Horkel war gleichzeitig Rentmeister des Gutes Grumsmühlen. In einem Vergleich kam man überein, daß das Gut Grumsmühlen aus der Baccumer Mark einen Vollerbenanteil erhalten sollte.

Die Ländereien wurden dem Gut an verschiedenen Stellen, zur Abrundung des eigenen Besitzes zugesprochen. Statt aller Kostenbeiträge zahlte das Haus Grumsmühlen eine Ablösesumme von 50 Talern. An Stelle bestimmter Arbeiten, wie die Instandsetzung der Wege usw., hatte das Gut einen öffentlichen Weg instand zu setzen und für „ewige Zeiten.” zu unterhalten. Diese Verpflichtung wurde in jüngster Zeit jedoch annulliert. Außerdem gestattete das Gut Grumsmühlen dem Neubauer Storm (heute Zwake) eine Vergrößerung des “Vosspoelkamps”. Als man sich über die Vergrößerung des Grundstücks zunächst nicht einigen konnte, entschloß man sich zu einem Ortstermin. Der Herr Baron von Böselager sah sich jedoch auch hier außerstande, dem Neubauer Storm eine Vergrößerung in der gewünschten Ausdehnung zuzustimmen. Zur Begründung führte der Baron auf, daß das seit jeher für die Grumsmühlener Ölmühle bestehende Wasserreservat des “Vosspoels” dadurch nicht nur geschmälert werde, sondern das so unentbehrliche Wasser könne der Ölmühle sogar gänzlich entzogen werden.
Obwohl die Befürchtungen auf Seiten der Kommission, die eine Umwallung des Grundstückes vorschlug, grundlos schien, war der Herr Baron von Böselager nicht zu überreden. Von der Kommission wurden darauf weitere Vorschläge unterbreitet, worauf nach mehrstündigen Verhandlungen letztlich doch eine gütige Einigung zustande kam.

Wieder hatte der “Vosspoel”, der in vergangenen Jahrhunderten so oft die Gemüter erregte, zu Differenzen geführt. Gottlob kam man hier zu einer gütigen Einigung.
Nach dem Tode Max-Friedrich von Böselager, wurde Klemens von Böselager Besitzer von Grumsmühlen;
dieser wohnte nur ein paar Jahre auf Grumsmühlen und zog dann nach Eggermühlen. Lange Zeit weilte nur der Pächter Penning auf dem Gute, dessen Wohnung sieh in dem früheren Dreschhaus befand; später wohnte der Verwalter Unkenholt dort allein. Bei einer Erbteilung erhielt dann Ferdinand von Böselager, Amtsrichter zu Verden, das Rittergut, verkaufte es aber im Jahre 1898 an seinen Bruder Fritz von Böselager.

Unter diesem wurde in gleichen Jahr die romantisch gelegene Kapelle gegenüber dem Herrschaftshaus erbaut. Sie erwies sich gewissermaßen als eine Notwendigkeit für die Bauerschaften der Umgebung, deren Einwohner bis zu ihrer Pfarrkirche einen Weg zu zwei Stunden zu Fuß zurücklegten. So leisteten die Bauern der Umgebung beim Bau der Kapelle freudig und unentgeltlich Hand- und Spanndienste, ebenso erledigten sie die Zimmerarbeiten.

Grumsmühlen im Besitz des Fabrikanten Karl Nolte.

Im Jahre 1905 ging das Rittergut Grumsmühlen durch Kauf in der Besitz des Fabrikanten Karl Nolte über. Unter Ihm erhielt das Gut ein verändertes Aussehen; es entstanden schmucke weiße Ökonomiegebäude, die den großen Hof umsäumten. In der Bewirtschaftung des Gutes zeigten sich in Wald, Feld und Wiesen enorme Fortschritte. Anstelle der kleinen Kämpe boten nun ausgedehnte Kornfelder und Weiden abwechselungsreiche Durchblicke und Fernsichten
Im Jahre 1909 kaufte Karl Nolte 18 Hektar Ländereien und die landwirtschaftlichen Gebäude des Hofes Kalmer in Baccum auf dem Berg. Der Hof war bereits Jahre vorher in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und dadurch in den Besitz des Bauern Schulte in Baccum gekommen. Schulte verkaufte in dem genannten Jahr einen großen Teil. der Ländereien und die Gebäude an das Gut Grumsmühlen, das den Hof von einem Pächter bewirtschaften ließ. Jedoch bereits in Jahre 1914 verkaufte Karl Nolte den ehemaligen Kalmer-Hof wieder an Nienkämper, dessen Nachkommen noch heute im Besitz des Hofes sind.

Die Kapelle des Gutes Grumsmühlen

Grumsmühlen im Besitz des Prinzen von Croy.

Nur 18 Jahre war Karl Nolte im Besitz des Gutshofes, als er im Jahre 1923 das Rittergut an Prinz Anton von Croy verkaufte. Seine Durchlaucht Prinz von Croy setzte die Bemühungen seiner Vorgänger fort, den Gutshof gewinnbringend zu bewirtschaften. Die z.T. folgenschweren Streitigkeiten and Querelen, die seine Vorgänger van Limborch, Mulert und Glauwe wegen der unklaren Markengrenzen im 16. und 17. Jahrhundert hatten, belasteten schon die Besitzer von Böselager und Nolte nicht mehr und somit auch nicht die Familie von Croy. Letzte Zweifel der Grenzverläufe waren durch die Neuvermessung und Markierung der Markengrenzen im Jahre 1813 beseitigt worden.

Als Seine Durchlaucht Prinz Anton von Croy sich zur Ruhe setzte, übernahm sein Sohn, Prinz Alfred den Gutshof. Die Ländereien des heute noch etwa 200 Hektar großen Gutshofes sind zum grölten Teil verpachtet. Die Gutskapelle, die etwa 120 Personen Platz bietet, wird noch allsonntäglich zum Gottesdienst genutzt. Eine besondere Sorge Seiner Durchlaucht ist die Erhaltung des sonntäglichen Gottesdienstes, was durch den akuten Priestermangel sehr in Frage gestellt ist. Nicht zuletzt würden es die Katholiken der Umgebung bedauern, wenn sie auf den gewohnten Gottesdienst in der Gutskapelle verzichten müßten.

Die Familie von Croy gilt in Grumsmühlen und Umgebung als sehr hilfreich; sie werden als freundliche Gesprächspartner sehr geschätzt.

Wenn der Wanderer durch die lauschigen, verschwiegenen Waldwege zum Gutshof wandert, empfindet er noch heute, daß dieser Herrschaftssitz, sich sowohl wegen seiner Anmut und Lage als auch wegen seiner fast fünfhundertjährigen wechselvollen Geschichte, sich mit jedem Rittergut gut messen kann. Um das Herrschaftshaus schwebt ein eigenartiger Zauber; es liegt wie ein friedlich träumendes Kind am Busen der Mutter Natur, ungestört von Straßenlärm und Maschinengetöse, ein tiefsten Frieden atmendes Idyll.